Was wünschen sich Menschen, um ihre freie Zeit in Gemeinschaft zu gestalten? Was gibt es für Angebote, an denen auch Menschen mit Behinderung teilnehmen können? Um dieser Fragestellung aus dem Blickwinkel von Menschen mit Behinderung nachzugehen, lud die vhs Frechen zusammen mit der Gold-Kraemer-Stiftung Bewohner*innen aus den Paul Kraemer Häusern (PKH) in Frechen ein, gemeinsam über Wünsche und Vorstellungen zu sprechen, wie zum Beispiel Gesundheits- und Bewegungsangebote gestalten werden müssen.
„Unser Ansatz war es, von Anfang an Menschen einzubinden, die wir mit unserem Angebot erreichen wollen. Mit Blick auf eine bessere Teilhabe von Menschen mit Behinderung haben wir zusammen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern aus den Paul Kraemer Häusern einen Workshop veranstaltet, bei dem sie ihre Vorstellungen, Ideen und Wünsche direkt mit eingebracht haben“, berichtet Antje Laacks, stellvertretende Leiterin der vhs Frechen, das Format, das als „Projektklinik“ bezeichnet wird.
Entscheidend für das Gelingen des Workshops war die Partizipation und Beteiligung der Bewohner*innen von Anfang an. In einer ersten Kennlernrunde berichteten sie aus ihrem Berufs- und Wohnalltag. Eine wichtige Rolle spielten auch ihre Aktivitäten in der Freizeit und ihr soziales Umfeld, in dem sie sich gerne aufhalten. Mit Hilfe selbstgestalteter Bildkarten diskutierte die Gruppe Fragestellungen, die Aufschluss geben über persönliche Vorlieben, Neigungen und Möglichkeiten.
Marcus Kracht ist Mitarbeiter der Gold-Kraemer-Stiftung und koordiniert in den Wohnangeboten der Stiftung das Projekt „BIGA“ (Bewegte Impulse für gemeinsame Aktivitäten). „Wir machen sehr gute Erfahrung damit, Menschen in unseren Einrichtungen einzubinden und ihnen eine Mitsprache und ein Mitgestalten zu ermöglichen“, berichtet der Projektleiter und freut sich besonders darüber, dass in Kooperation mit der vhs Frechen langfristig auch der Blick auf inklusive Angebote gerichtet wird. „In einem ersten Schritt ging es darum, Kursformate zu finden, an denen Menschen mit Behinderung Spaß haben. Hier machen unsere Kursleiterinnen und -leiter zum Teil auch erste Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit beispielsweise kognitiven Beeinträchtigungen. In einem nächsten Schritt haben wir dann die Kurse für alle Menschen in Frechen geöffnet“.
Nach Auswertung aller Aussagen und Informationen der Bewohner*innen ergab sich die Aufgabe, einen Yogakurs zu planen. Workshop-Moderatorin Alexandra Haas erklärte den Teilnehmenden, wie sie mit Hilfe der Bildkarten unterschiedliche Aspekte der Kursplanung besprechen und gemeinsam abstimmen können. Hier ging es um konkrete Planungsschritte wie die Suche nach einem geeigneten barrierefreien Gebäude, einem geeigneten Raum, Erwartungen an die Personen, die einen Kurs leiten, und Erwartungen an die Gruppe selbst.
Alexandra Haas ist von Hause aus in der Erwachsenenbildung tätig und engagiert sich insbesondere für die Schaffung speziell zugeschnittener Kursangebote. Ihr Fazit: „Das Format Produktklinik funktioniert mit der Gruppe wunderbar. Es gab eine rege intensive Beteiligung und die Bereitschaft, sich in mehreren Runden hoch konzentriert allen Fragestellungen zu widmen.“
Die vhs Frechen und die Gold-Kraemer-Stiftung haben nach einer erfolgreichen Schnupperphase für die Teilnehmenden aus den Paul-Kraemer-Häusern den Kurs seit einem Jahr für jedermann geöffnet. Er steht als offizielles Angebot im vhs-Programm und läuft einmal im Monat. Carmen Kegler ist die Übungsleiterin und selbst absolut angetan von der Teilhabe ganz unterschiedlicher Personen: „Die Vielfalt im Kurs ist eine große Bereicherung für alle und trägt dazu bei, dass im Umgang miteinander Barrieren schnell verschwinden.“ Der Kurs hat derzeit zwölf Teilnehmende. Nächster Termin ist Freitag, 29.08. Die Anmeldung erfolgt über die vhs Frechen.
Vorstellung der einzelnen Runden der Produktklinik im Detail:
Runde 1: Gebäude („Wo würdet ihr gerne zum Yogakurs hingehen?“)
- Die Teilnehmenden wählen eine Bild der Gold-Kraemer-Stiftung im Frechener Zentrum aus.
- „dann ist es nicht so weit“ war hier ein Aspekt.
Runde 2: Räume
- Die Gruppe wählt ein Bild des Gruppenraumes 1 der vhs Frechen aus.
- Wichtig für die Auswahl: hell, schön, groß.
- Der Raum sollte allerdings gut klimatisiert sein. (Dies wurde nicht genannt, aber die Reaktion auf den zu warmen Gruppenraum 1 war eindeutig).
- Zusatzfrage zu „Wie komme ich hin und zurück?“: Hier kamen mehrere Antworten in Frage und es gab unterschiedliche Sichtweisen dazu, ob das auch alleine gehen könnte oder mit Begleitung sein sollte. In der Mehrzahl war es: „mit anderen zusammen“, „mit einem Betreuer“ und „mit dem Bus“. Alle zusammen! War das Motto.
- Zusatzfrage zur Barrierefreiheit: Der Raum sollte „lieber ohne Treppen“ erreichbar sein, „damit alle mitmachen können“. Die Gruppe formulierte dies sehr intensiv, auch wenn alle an der Produktklinik beteiligten Personen eine Treppe steigen konnten.
Runde 3: Kursleitende („Wen hättet ihr gerne als Kursleitung?“)
- „Jetzt wird’s interessant!“
- Entscheidend war, wer „nett“ bzw. „sympathisch“ aussieht.
- Mann oder Frau war weniger relevant bzw. bei den Teilnehmenden sehr unterschiedlich relevant.
- Beide ausgewählte Personen waren mittleren Alters / wirken eher jünger.
Runde 4: Gruppen („Mit welcher Gruppe möchtet ihr Yoga machen?“)
- Es werden zwei Gruppenbilder ausgewählt.
- Es sind jeweils Menschen mit Beeinträchtigungen zu erkennen.
- Männlich und weiblich gemischt.
- Älter und jünger gemischt
- Für eine Person wichtig: Auch „Rollis“ sollen dabei sein können. Davon waren am Ende alle überzeugt.
- Der Kurs soll für alle Menschen offenstehen, unabhängig ihrer Vorkenntnisse: „alle zusammen!“ – „gemeinsam Spaß haben!“.
Zusatzfragen zu den möglichen Zeiten des Kurses. Hier wurde kontrovers diskutiert und die Meinungen gingen zum Teil auseinander. Meistens konnten sich bis auf eine (jeweils andere) Person aber 4 Personen auf ein Ergebnis einigen.
- Kurstage könnten Freitagnachmittag oder Samstag / Sonntagvormittags sein.
- Freitags: 17 oder 18 Uhr
- Samstags/sonntags: Mehrzahl 11 Uhr (eine Person: 9 Uhr)
- Wie oft? Einmal im Monat (einstimmig)
- Wie lange? Eine Stunde (Klassische Dauer von 1,5 Stunden war allen zu lang, ein TN wollte nur eine halbe Stunde)
- Abends in der Woche geht es nicht, wegen der Arbeit. Tagsüber deswegen ebenfalls nicht.
Zusatzfrage „Wie erfährst du vom Kurs?“: Lesen können viele Teilnehmende nicht. Nach längerer Diskussion war die bevorzugte Informationsquelle, dass Marcus Kracht möglichen Teilnehmenden vom Kursangebot erzählt. Einzelne hätten auch gerne ein Plakat oder Informationen im Internet.
Runde 5: Kurskosten. Die Frage, wie viel Teilnehmende bereit sind, für einen Kurs zu bezahlen wird in einer Produktklinik immer individuell von jeder einzelnen Person für sich beantwortet. Das Ergebnis: 2 Personen € 5, 2 Personen € 15, eine Person € 10 Kursgebühr.