Reiten als Sport für Menschen mit Behinderungen

Von links: Prüferin Gaby Lauffenberg, Anika Broicher, Anna-Lena Thenhausen, Katrin Fiedler, Kristin Hoffmann-Rüh, Silke Fütterer-Sommer, Nico Hörmann, Carola Wagner, Heinz Busen, Prüferin Ilona Müller, Prüfer Rolf Grebe.

Text: Katrin Fiedler-Macht

Inklusion soll Strukturen schaffen, die es ermöglichen, Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam ein wertvoller Teil der Gesellschaft zu sein. Soweit zur Definition eines Wortes, das uns im Alltag oft begegnet. Aber wie lässt sich dieses Wort mit Leben füllen? Und das in einem Sport, in dem es einen Partner mit einem eigenen Kopf und vier Beinen gibt?

Diesen Frage gingen die acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Lehrgangs „Reiten als Sport für Menschen mit Behinderungen“ vom 7. bis zum 14. März 2025 in Frechen am Pferdesport- und Reittherapiezentrum der Gold-Kraemer-Stiftung (PRZ) nach. Organisiert wurde das Ganze vom Deutschen Kuratorium für therapeutisches Reiten Warendorf (DKthR) und durchgeführt in Frechen bei Köln im PRZ. Unter der Leitung von Inga Nelle wollten die pferdeverrückten Trainerinnen und und Trainer ihr Wissen erweitern, um eben jenen Menschen mit Beeinträchtigung den Einstieg in die Welt des Pferdesports zu ermöglichen. Und genauso vielfältig wie die Menschen selbst ist auch der Sport mit unseren vierbeinigen Freunden. Ob im Reiten, im Voltigieren, im Basisunterricht oder in der Arbeit vom Boden – überall konnte man auf der weitläufigen Anlage die Freude an der Arbeit mit den Pferden und den ganz unterschiedlichen Menschen spüren.

Einige der Lehrgangsteilnehmer*innen verfügten bereits über Erfahrungen im Parasport bzw. leiten diesen beim DKthR in Warendorf. Silke Fütterer-Sommer und Nico Hörmann trainieren bereits seit einigen Jahren die Parareiter*innen im Dressur- und Westernsport. Ihr Wissen über die Zusammenhänge und Abläufe bei Turnieren oder der Einteilung der Grades und ihre Auswirkungen auf den Sport war für viele Teilnehmer*innen neu. Aber selbst für die beiden Profis gab es sehr viel Neues und Interessantes aus der Woche mitzunehmen. Auch die anderen Lehrgangsteilnehmer*innen verfügten bereits über unterschiedliche Erfahrungen, die sie gern mit den anderen teilten. Die erfahrene Voltigiererin Kristin Hoffmann-Rüh aus Thüringen zum Beispiel leitet in ihrem Verein bereits seit Jahren mehrere Voltigruppen und konnte so den anderen noch einiges an Tipps mit auf den Weg geben. Das war besonders auf dem Movie, dem Pferdesimulator, von Vorteil. Dieses „Pferd“ braucht zwar nur Strom, bewegt sich aber genauso wie ein echtes Pferd im Galopp. Das stellte für den einen oder anderen eine Herausforderung dar, sorgte aber auch für jede Menge Spaß.

Nicht nur in der Bodenarbeit oder dem Unterrichten von Reitanfängern – Anna-Lena Thenhausen aus Bielefeld hatte immer neue Ideen für Spiele mit und um das Pferd. Als teilselbstständige Trainerin ist sie in ihrer Heimat in vielen Reitbetrieben unterwegs um Kindern die Freude am Reiten spielerisch zu vermitteln.

Carola Wagner aus Bayern brachte ebenfalls viel Erfahrung beim von Kindern mit und wird nun das Angebot auf ihrem eigenen Hof erweitern um dort auch Menschen mit Beeinträchtigung willkommen zu heißen. Ihre praxisbezogenen Ratschläge waren immer wieder ein Gewinn für den Kurs.

Genau wie Anika Broicher vom schönen Möhnesee. Sie wird ihren Betrieb mit dem neu erworbenen Wissen bereichern und unseren wunderbaren Sport für alle Menschen öffnen. Katrin Fiedler aus Niedersachsen hat bereits einige Erfahrung im Unterrichten von Kindern und Jugendlichen, will sich aber in Zukunft auch den Herausforderungen des inklusiven Unterrichtes stellen.

Heinz Busen konnte auf Wissen aus der Hippotherapie zurückgreifen, das er sowohl in Deutschland als auch in Österreich erworben hatte.

Viel Neues boten die Unterrichtseinheiten, in denen es um rechtliche Fragen, den Aufbau von Unterrichtseinheiten für Menschen mit Beeinträchtigung oder den verschiedenen Krankheitsbildern ging. Auch über besonders ernste Themen wie Tierschutz und Ethik sowie Sexualisierte Gewalt im Sport wurde gesprochen. Dank der Kompetenz des Teams des PRZ blieben zu keinem Thema Fragen offen.

In den vorbereiteten Kurzreferaten, die die angehenden Ausbilder bereits mitgebracht hatten, gab es dann noch einmal Einblicke in die sportlichen Umfelder der Teilnehmer. Hier wurden die Möglichkeiten der Turniergestaltung, der Barrierefreiheit, der Bekanntmachung des Parasportes sowie der Besonderheiten bei Abzeichenlehrgängen besprochen.

Als besonders wertvoll erwiesen sich die Praxiseinheiten. Ob als Hospitation beim Einzelsetting der pferdegestützten Pädagogik oder des Gruppenunterrichtes im Voltigieren der Förderschule – überall bekamen die Teilnehmer jede Frage beantwortet. Aber auch Mitmachen und selbst ausprobieren war immer wieder angesagt. Wie sich Reiten mit eingeschränkter Motorik oder Sehvermögen anfühlt, fanden Kristin, Carola und Katrin gleich am zweiten Tag heraus. Sicherheit gaben dabei die gut ausgebildeten Pferde Klaus, Santana und Pauline sowie Heinz, der die komplett „blinde“ Carola führte. Welche Leistung dabei von den Menschen erbracht wird, die tatsächlich eine solche Beeinträchtigung haben, ließ sich auf diese Weise zwar nur erahnen, hinterließ aber dennoch bleibende Eindrücke.

Mit dem Sattler Niclas Hackenbroch konnte am Donnerstag über kompensatorische Hilfsmittel gefachsimpelt werden. Wie kann man Sättel, Zügel oder Steigbügel so gestalten, dass sie den Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen Sicherheit bieten? Worauf muss ich bei der Auswahl des Sattels bei unterschiedlichen Pferden achten und welche Neuerungen auf diesem Gebiet gibt es. Ein weites Feld, welches auch in Zukunft immer in Bewegung sein wird – so das abschließende Urteil des Lehrgangs.

Eifrig wurde während der ganzen Woche immer wieder mit den Probanden für die Prüfung geübt. Selma, Imme und Carina hatten sich für das Reiten zur Verfügung gestellt und Tobi und Luisa wurden durch Kristin und Anna-Lena im Voltigieren unterrichtet. Jeweils zwei Lehrgangsteilnehmer stellten eine 30minütige Unterrichtseinheit mit ihrem Schüler dar. Diese wurde dann von den Prüfern bewertet. Dafür war dann am letzten Tag Rolf Grebe angereist. Nachdem alle ihre Unterrichte präsentiert hatten, gab es ein auswertendes Gespräch mit den Prüflingen. Schnell stand jedoch fest, dass alle Teilnehmer*innen den Anforderungen gerecht werden konnten. So ausgestattet mit neuem Wissen und der entsprechenden Legitimation in der Tasche, traten alle den Heimweg an.

Und wieder gibt es mehr Menschen, die den Wert der Inklusion nicht nur in der Theorie kennen und in die Welt tragen, sondern ihn auch praktisch und gemeinsam mit unserem Partner Pferd umsetzen werden. Die Lehrgangsteilnehmer*innen bedanken sich bei Inga Nelle sowie allen Ausbilder*innen des PRZ Frechen, die in unendlicher Geduld, gelebter Vielfalt und mit ganz viel Herz und Pferdeverstand diese Woche zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben.

Gold-Kraemer-Stiftung

Paul-R.-Kraemer-Allee 100
50226 Frechen

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