Auch wenn der Tennissport mit Rollstuhl im Breiten- und Leistungssport längst angekommen ist, gibt es für die stetig wachsende Zahl an interessierten Rollstuhlfahrer*innen bundesweit noch zu wenig Angebote, die Sportart auch wohnortnah ausüben zu können. Wie kommen Vereine und Interessierte zusammen? Wie gelingt die Fort- und Weiterbildung der Trainer*innen und Vereinsverantwortlichen, um Rollstuhltennis erfolgreich in das Angebot der Tennisvereine zu integrieren?
Mit einem erstmals durchgeführten Rollstuhltennis-Workshop hat das von der Gold-Kraemer-Stiftung und dem Deutschen Tennis Bund (DTB) getragene Projekt „Tennis für Alle“ interessierte Spieler*innen und Trainer*innen aus ganz Deutschland zusammengeholt, um unter der Leitung des Bundestrainerteams Wissen für verbesserte Trainings- und Wettkampfpraxis zu vermitteln.
Insgesamt 12 Trainer*innen und 25 Spieler*innen mit sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen bis hin zu Neueinsteigenden folgten der Einladung und nutzten die zwei Workshop-Tage auf der Anlage des RTHC Bayer Leverkusen, um ihr Training und ihr Spiel zu verbessern. Neben viel Spielpraxis ging es auch um die Verbesserung der motorischen und konditionellen Fähigkeiten.
Das verantwortliche Trainerteam um die Bundestrainer Niklas Höfken und Philipp Born wurde unterstützt von Rollstuhltennis-Nationalspieler Nick Nobbe. „Beim Workshop geht es vor allem darum, miteinander voneinander zu lernen. Durch die Möglichkeit, dies ausschließlich in der Praxis zu tun, lernen unsere Teilnehmenden deutlich effektiver und nehmen für ihre Trainingsarbeit viel mehr mit“, erläutert Niklas Höfken den Ansatz. „Insbesondere den Trainer*innen können wir vermitteln, dass sie als Rollstuhltennis-Coaches ihr schon vorhandenes Wissen und ihr Trainingsrepertoire aus dem laufenden Tennis weiter anwenden können“, so Höfken.
Für den 26-jährigen Sportstudenten und Tennistrainer Joshua Ackermann aus Mainz war der Workshop eine besondere Motivation, das Tennis sportinteressierten Rollstuhlfahrer*innen näherzubringen: „Die Behinderung ist erstmal eine Hürde, ist aber kein Hindernis Tennis zu lernen. Als Teilnehmer am Workshop freue ich mich, besonders die spezifischen Kenntnisse zum Rollstuhltennis in meinen Alltag mitzunehmen“. Die Spieler*innen kamen mit sehr unterschiedlichen sowohl körperlichen als auch spielerischen Voraussetzungen; Spieler*innen mit einer Querschnittlähmung bringen z.B. andere Fähigkeiten mit, als Spieler*innen mit einer Amputation oder Spastik – hinzu kommt noch der jeweilige individuelle Trainingszustand als Einflussfaktor. „Der Workshop hat allen gezeigt, dass es die eine perfekte Art, Rollstuhltennis zu trainieren oder zu spielen, nicht geben kann. Ein erfolgreiches Training passt sich immer wieder ganz spezifisch an die Voraussetzungen der Sportler*innen an“, erklärt der Bundestrainer, der seit 2012 als Rollstuhltennis-Trainer aktiv ist.
Der Workshop bot neben den sportlichen Aspekten für die Teilnehmenden auch die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu vernetzten. Viele neue Anfragen nach wohnortnahen Angeboten für Rollstuhltennis liegen bereits auf dem Tisch des „Tennis für Alle“ Projektes. Seit 2019 ist der Bedarf an neuen Standorten für Rollstuhltennis bundesweit deutlich gestiegen. Durch intensive Fortbildungsangebote und eine engere Zusammenarbeit mit den Landesverbänden des DTB können jährlich neue Tennisvereine als Partner gewonnen werden. Dazu Julia Louis, verantwortlich für Inklusion in der DTB Sportentwicklung: „Das Interesse am Tennis aus der Rollstuhl-Community wächst spürbar. Hier müssen wir weiterhin werben und motivieren, damit die Angebotsstrukturen für Training und Wettkampf sich deutschlandweit verbessern.“ Neben dem fortan jährlich stattfindenden bundesweiten Workshop unterstützen der DTB und seine Landesverbände interessierte Tennisvereine bei der Durchführung von regionalen Aktionstagen.
Der 26-jährige Sportstudent Joshua Ackermann aus Mainz ist einer von 12 teilnehmenden Trainer*innen am 1. Rollstuhltennis-Workshop
Wie bist Du zum Rollstuhltennis gekommen? Im Rahmen meines Sportstudiums mit der Fachausrichtung Rehabilitation und Prävention durch Sport an der Universität Mainz habe ich bei einem Praktikum ein Zusatzprädikat zum Thema „Sport in sozialer Verantwortung“ erworben. Das Praktikum habe ich bei einem inklusiv arbeitenden Sportverein gemacht. Mein Schwerpunkt war Rollstuhlbasketball. Als Tennisspieler und DTB B-Lizenz-Tennistrainer traf ich dort auf einen Rollstuhltennisspieler, mit dem ich gemeinsam weitere Interessenten fürs Rollstuhltennis gesucht habe.
Wart Ihr erfolgreich? Wir haben mit dem Sportverein und einem Tennisverein als Partner ein Konzept aufgestellt. Corona hat uns da aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Inzwischen setzt der Verein das Konzept selber um. Drei Spieler trainieren jetzt regelmäßig zusammen.
Was hat Dir der Workshop vermitteln können? Bis auf ein paar wenige Besonderheiten ist Tennis im Rollstuhl absolut vergleichbar mit Fußgänger-Tennis. Anfangs habe ich mir als Trainer nicht zugetraut, Rollstuhltennistraining zu geben. Der Workshop hat mir gezeigt, dass man mit seinen vorhandenen tennisspezifischen Kenntnissen und den wichtigsten Basics im Rollstuhltennis tennisinteressierten Rollstuhlfahrer*innen den Sport wunderbar vermitteln kann. Lediglich das Thema Rollstuhlfahren ist besonders. Und hier konnte ich für mich sehr wertvolle neue Erfahrungen sammeln und einiges im Rollstuhl selber ausprobieren.
Welchen Stellenwert nimmt die Inklusion für Dich als Sportler und Trainier insgesamt ein? Inklusion im Sport ist absolut zukunftsfähig und ausbaufähig. Für mich als aktiver Sportler und Trainer gehört die Inklusion im Sport klar selbstverständlich dazu. Denn jeder Mensch, der Lust auf Tennis hat, kann die Sportart auch ausüben. Gerade der Tennissport eignet sich dazu, Menschen mit Behinderung zu Bewegung und Sport zu führen und ins Vereinsleben zu integrieren.
Alle Fotos: DTB, Julia Louis